„Wachkoma“ darf nicht ökonomisiert und missbraucht werden

Der 1. Vorsitzende der Österreichischen Wachkoma Gesellschaft,  Dr. Donis, begrüßte und eröffnete die Jahrestagung 2010. „Wachkoma – quo vadis?“ „Betreuungsformen und adäquate Betreuungskonzepte für schwerstbehinderte Menschen“ – unter diesem Titel führte die Österreichische Wachkoma Gesellschaft ihre 9. Jahrestagung am 15.10.2010 in Wien durch.  Ca. 190 Teilnehmer waren gespannt auf die hochkarätigen Referenten.

Jahrestagung 2010 - Wachkoma – quo vadis?

Univ. Prof. Dr. Heinrich Binder stellte die Frage – Gibt es Wachkoma überhaupt? In seinen Thesen warnte er vor dem Missbrauch der Begrifflichkeit „Wachkoma“. So führte er aus, dass es nicht dazu kommen darf, dass das „Wachkoma“ für ökonomische Betrachtungen missbraucht wird. Der Begriff assoziiert für viele Menschen, durch das eigene Erleben in der Familie, eine sehr schlimme Erfahrung im Umgang  damit. Wachkoma und die dazu gehörenden Merkmale widerspiegeln ganz präzise erlebte und emotional durchlebte Lebenssituationen. Zur Zeit ist feststellbar, dass der Begriff Wachkoma zu sehr mit ökonomischen Kennziffern in Verbindung gebracht wird. Prof. Binder betonte, dass wir eben nicht – wie bei Coca-Cola – über einen Markennamen reden und warnte davor dieses  zuzulassen.

MR Dr. Roland Paukner legte den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die Verwendung von finanziellen Ressourcen. „Es geht nicht um die Frage, ob finanzielle Ressourcen vorhanden sind, sondern setzen wir diese auch richtig ein?“ Diese Meinung dürfen wir auch ganz selbstverständlich auf Deutschland anwenden. Auch wir stellen fest, dass die Verwendung von finanziellen Ressourcen, und nehmen wir die personellen Ressourcen dazu, immer in Einzelfallentscheidung zu kontrollieren sind. Ich meine wir würden vielen Betroffenen besser helfen können, wenn der Bedarf ermittelt, bedarfsgerecht versorgt und in hoher Qualität umgesetzt wird.  Lebensqualität als Dienstleistung zu erbringen muss für jeden Anspruch seiner Dienstleistung sein und dass auch dann wenn wir über nur „einen“ betroffenen Menschen reden. Diesen Anspruch fordern wir auch nicht nur für kranke Menschen, sondern auch für pflegende Angehörige. Sie dürfen mit Ihren Sorgen nicht sich selbst überlassen bleiben!

Prof. Dr. Andreas Zieger hob klar hervor, das „Wachkoma“ nicht als Marke verkommen zu lassen. Er orientiere darauf, dass der Begriff Wachkoma nicht als Alleinstellungsbegriff stehen darf.“
Prof. Dr. Hans Joachim Hannich aus Greifswald stellte erste Ergebnisse einer Studie vor. Dabei ging er auf die moralischen, finanziellen und persönlichen Gründe der Pflege ein. In den Ausführungen untermauerte er diese durch strukturelle Anforderungen.  Anforderungen an die Pflege, sowie die psycho-sozialen Anforderungen stützten den Gedanken auch über entsprechende Betreuungskonzepte zu überdenken. Diese müssen das Ziel haben die Gesamtheit zu fördern.

Sehr spannend waren die Ausführungen von Frau Prof. Christel Bienstein. Sie forderte auf über die „sinnvolle Pflege“ nachzudenken.  0,05 % gesicherten Wissens in der Pflege lassen sich durch Studien in Deutschland wissenschaftlich belegen. „Wirksamkeit“ – „Angemessenheit“ – „Patientenakzeptanz“ waren die Inhalte ihrer Ausführungen. Geprägt von eigenen Erfahrungen bei der Pflege in Krankenhäusern stellt sich für manchen Angehörigen die Frage: „Wie komme ich heil durch das Krankenhaus?“  Zu viele Probleme treten im Krankenhaus auf. Ein Hauptargument ist der „Personalschlüssel“.  Für sehr wichtig hält Prof. Bienstein die Charta der Rechte für hilfe- und pflegebedürftiger Menschen (Bezugsstelle:publikationen@bundesregierung.de ).  Sie ist in Deutschland anerkannt und kann als Grundlage für jedermann in der Auseinandersetzung mit Unzulänglichkeiten in der Pflege nützlich sein. In diesem Zusammenhang ist möglicherweise auch über den Patientenbegriff nachzudenken und ich füge hinzu – vielleicht auch über einen „Familien-Begriff“ im Zusammenhang mit der Pflege.

In den anderen Beiträgen wurde auf die Aus- und Weiterbildung von Fachpflegekräften eingegangen. Für hervorragende Ergebnisse in der Abschlussarbeit wurden drei Absolventinnen des Lehrganges: „Pflege von Menschen im Wachkoma“ mit dem WachkomaAward durch Frau Karin Klas ausgezeichnet. Dieser wurde durch die Österreichische Wachkoma Gesellschaft  gestiftet. 
Marcello Ciarettino unterstreicht in seinem Referat die Notwendigkeit einer Sonderausbildung für das Pflegepersonal  auf Wachkomastationen  und begrüßt die Initiative die Prozesse in derartigen Einrichtungen zu normieren und zu standardisieren.

Der Bundesverband SHV – FORUM GEHIRN e.V. und die Österreichische Wachkoma Gesellschaft  verständigten sich auf eine verbandsübergreifende Zusammenarbeit in der Selbsthilfearbeit. Dabei geht es vor allem um die Umsetzung qualitätsgerechter Versorgung der Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. Kräfte bündeln, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, auch über Ländergrenzen hinweg, muss Anliegen beider Verbände sein. 

Dr. Johann Donis, 1. Vorsitzender der ÖWG führte Karl-Otto Mackenbach und Lothar Ludwig durch die Facheinrichtung im Geriatriezentrum am Wienerwald. Austausch von Erfahrungen in der Pflege, Versorgung und Betreuung der Kranken sowie die Betreuung der pflegenden Angehörigen waren Gegenstand des Gedankenaustausches.  Es wurde auch über die Perspektive bei der Unterbringung der Menschen im Wachkoma gesprochen. Gut ist der Neubau einer eigenen Station für diese Menschen. Aber die Plätze reichen bei weitem nicht aus und so werden aus heutiger Sicht ca. 1/3 der Patienten in einer  geriatrischen Einrichtung untergebracht.  Das kann für diese schwerstkranken Menschen und deren Angehörige nicht gut sein, denn aus den Erfahrungen in Deutschland wissen wir, dass die Unterbringung dadurch keineswegs eine gesicherte aktivierende Versorgung gewährleistet.

Lothar Ludwig, Bundesvorsitzender

Oktober 2010

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