Forgetting Dad (Der vergessene/vergessliche Vater)

Forgetting Dad (Der vergessene/vergessliche Vater)ein Film von Rick Minnich, einem Berliner Filmemacher, der seinen eigenen Vater porträtiert. Minnichs Vater verliert nach einem harmlosen Auffahrunfall sein Gedächtnis. Bei der Recherche, die Rick Minnich 20 Jahre nach dem Unfall  innerhalb seiner Familie durchführt, macht er verblüffende Entdeckungen, die ihm  seinen Vater Richard zum einen als unter Amnesie leidenden Mann oder aber als einen genialen Schauspieler sehen lassen. Vater Richard, der sich selbst nach dem Unfall „Der Neue Richard“ nennt, beginnt ein neues Leben mit einer neuen Frau. Weit weg von seiner früheren Familie und weitestgehend ohne Kontakt zu dieser.

Ein hoch spannender Dokumentarfilm der bis zum Schluss die Frage offen lässt, ob „Der Neue Richard“ nun eine Amnesie hat oder nicht und inwieweit jemand fähig ist, bewusst eine solch neue Lebensrolle zu spielen.
Eine Antwort konnten die Zuschauer im nachfolgenden Gespräch weder vom Filmemacher und Sohn Rick Minnich, noch von Prof. Dr. Hans J. Markowitsch von der Uni Bielefeld gegeben werden. Beispiele von Prof. Markowitsch zeigten nur zu gut auf, dass psychischer Stress durchaus in der Lage ist, einen Menschen nicht nur in eine Amnesie sondern auch zu extremsten körperlichen Gebrechen, bis hin zu einer Querschnittlähmung bringen kann.

Auch wurde, in dem anschließend durchgeführten Workshop, deutlich, dass solche harmlos erscheinende Ereignisse, wie bei Richard, einem Auffahrunfall, frühere Traumen wieder aufleben können und somit eine Amnesie auftreten lassen kann.

Es ist eine „Überlebensstrategie“ des Selbst, auch wenn dies von außen betrachtet mehr einem Lebensentzug vorkommt.
Auch in diesem Workshop gab es viele Impulse, meine eigenen Erfahrungen mit komatösen Menschen in diesem Licht nochmals zu betrachten. Und da gab es genügend Beispiele, bei denen sehr wohl vermutet (wenn nicht sogar erspürt) werden konnte, dass die (psychischen) Probleme den Patienten durchaus zurück hält, wieder in ein bewusstes und damit auch verantwortliches Leben zurück zu kehren.
Forgetting Dad, eine Geschichte direkt aus dem Leben und in einen fachlich hervorragenden Vortrag eingebettet, gab mir auch neue Impulse für unsere Verbandstätigkeit.

Meine provokante Frage, die ich mir auf der Heimfahrt stellte, möchte ich hier als Anregung an Sie liebe Leserinnen und Leser auch richten, aber auch als wichtige Arbeit für das kommende Jahr sich diesem Thema vermehrt anzunehmen:
Warum fallen so wenige Angehörige ins Koma oder in eine Amnesie?
Denn wir als Angehörige erlebten doch ebenso ein Trauma und sind wir ehrlich, ab und zu werden wir in bestimmten Situationen auch getriggert (eine Art Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses), sind hilf- und kraftlos und psychisch am Ende.

Lassen Sie uns auch darüber in einen verbandsinternen Dialog eintreten, denn nur in der Gemeinschaft lässt sich auch eine solche Selbsthilfe bewerkstelligen.

Karl-Eugen Siegel
stellv. Vorsitzender

November 2010

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