Stellungnahme des ALS-mobil e.V. zum GKV – IPReG

Stellungnahme des ALS-mobil e.V. zum Gesetzenwurf Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz GKV – IPReG

Mein Name ist Oliver Jünke, ich bin 52 Jahre alt, bin an der Amyothrophen Lateralsklerose, kurz ALS erkrankt und muss aus diesem Grund, seit nunmehr 8 Jahren, 24 Stunden am Tag künstlich beatmet werden. Eine Entwöhnung von der Beatmung, ist auf Grund eines Muskelschwundes, eine Auswirkung der ALS, nicht möglich. Ich melde mich hier nicht nur als Betroffener zu Wort, sondern auch als 1. Vorsitzender des ALS mobil e.V.

In Deutschland leben circa 8.000 Menschen mit A L S.

NICHT betroffen von der A L S sind die Körperwahrnehmung und die Sinneswahrnehmungen, das Sehen, das Hören, das Schmecken, das Riechen, der Gleichgewichtssinn, der Tastsinn, sowie unsere geistige Leistungsfähigkeit. Dies bedeutet also, wir sind zwar in unserem Körper gefangen, weil wir uns nicht mehr bewegen können, und durch den Muskelschwund auch nicht mehr selbstständig atmen und essen, wir verfügen aber noch zu 100 Prozent über unsere Auffassungsgabe, unsere Logik, sowie unser Denk, und Urteilsvermögen. Nur so viel zu einem Teil der Menschen, die auf eine ständige intensive Versorgung angewiesen sind.

Der in seiner gerzeitigen Form vorliegende Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn, zielt auf die körperlich Schwächsten in unserer Gesellschaft. Patienten über 18 Jahren, mit Intensivpflegebedarf, wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Der Staat ordnet die Stationäre Unterbringung an. Hierbei wird nach meiner Meinung gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstoßen, und darf so als Gesetz nicht in Kraft treten.

Ja, es ist richtig, wir benötigen bundesweit gültige Rahmenbedingungen in der Intensivpflege. Und der Gesetzentwurf enthält auch viele richtige und gute Ansätze.

Es kann aber zum Beispiel nicht sein, dass jeder Pflegedienst und jeder Betroffene, der seine Pflege allein organisiert, seine Rahmenbedingungen mit seiner zuständigen Krankenkasse persönlich aushandeln muss. Hier bedarf es zum Beispiel der Unterstützung der Politik, die einheitliche Bedingungen festlegt, um Qualitäts- und Struktureigenschaften zu definieren, sowie um den Einsatz von finanziellen Mitteln zu regulieren.

In dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf, der schon in dieser Woche beschlossen werden soll, wurde klamm heimlich das Wort „medizinisch“ vor das Wort Behandlungspflege gesetzt. Das bedeutet in etwa so viel, dass die Krankenkassen sich nur noch für die reine (künstliche) Beatmung und sonstige medizinische Versorgung verantwortlich zeichnen.

Für die Pflegerische Grundversorgung stehen dann z.B. bei Pflegegrad 5 nur noch ca. 2000,- € in Form von Pflegesachleistungen der Pflegeversicherung zur Verfügung. Benötigt werden dann aber bis zu 8000 Euro monatlich. Da ein Großteil der Betroffenen, jedoch am Existenzminimum lebt und des Sozialamt nicht einspringen wird, werden die Betroffenen genötigt nach unserer Auffassung und der Auffassung von Experten (!) in eine Vollstationäre Einrichtung zu gehen, weil dort die Pflege von der Pflegeversicherung vollständig übernommen werden soll. (Sollten wir uns irren – streicht doch einfach dieses eine Wort “medizinisch”!)

Die Intensivpflege mit Beatmung in den eigenen vier Wänden, soll nur noch die absolute Ausnahme sein.

Gegenwärtig gibt es circa zwanzigtausend ambulante Beatmungspatienten. Ein Drittel dieser Personen, kann nicht von der Maschine entwöhnt werden. Ich denke, fast alle dieser Menschen, die nicht entwöhnt werden können und zu Hause leben, lehnen eine stationäre Unterbringung ab und möchten weiterhin zu Hause versorgt werden. Wenn per Gesetz festgelegt wird, dass eine Pflege von Schwerstkranken in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich sein soll, so ist das ein gravierender Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Uns soll das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben genommen werden. Wir Betroffenen wollen zu Hause, in unserer gewohnten Umgebung bleiben.

Es sollte niemals über die Köpfe von Betroffenen hinweg, entschieden werden, schon gar nicht, wenn es um Rahmenbedingungen unseres zukünftigen Lebens geht.

Vor gut 2 Jahren hat der Gesundheitsminister 13000 neue Pflegestellen versprochen. Woher will er das Personal dafür nehmen? Hier sehen wir einen eindeutigen Zusammenhang, mit dem Gesetzentwurf. Die häusliche Intensivpflege soll abgeschafft werden, und das frei werdende Personal soll in stationären Einrichtungen beschäftigt werden.

Alle Pflegekräfte, aus diesem Bereich, mit denen wir bisher gesprochen habe, können sich einen solchen Wechsel nicht vorstellen. Sie hatten alle ihre (wenn auch unterschiedlichen) Gründe, in die ambulante Pflege zu wechseln.

Sollte der Fachkräftewechsel von der häuslichen Versorgung in stationäre Einrichtungen, wirklich der Grund dafür sein, die Intensivpflege derartig zu verändern, dann hat da jemand „die Rechnung ohne den Wirt“ gemacht. Diese Allokation wird nicht funktionieren. Der Großteil der Fachkräfte hat sich bewusst gegen eine Tätigkeit in vollstationären Strukturen entschieden, und wird nicht wieder dorthin zurück wechseln. Diese Pflegefachkräfte werden der Pflege den Rücken zu drehen und sich andere Beschäftigungsverhältnisse suchen und der Fachkräftemangel wird sich eher noch verstärken, als verringern.

Werte Politiker, bitte unterstützen sie uns dabei, dass der gegenwärtige Entwurf das Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz der G K V, so nicht in Kraft treten wird. Auch wenn wir krank und auf die Hilfe anderer angewiesen sind, haben wir trotzdem das Recht auf Selbstbestimmung.

Wir haben das Recht, unseren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen und am Leben teilzunehmen. Wir wollen nicht als eine Sache betrachtet werden, die auf Grund von taktischen Spielchen und aus finanziellen Gründen, kein Recht auf Gleichbehandlung hat.

Bitte setzen sie sich gemeinsam mit uns dafür ein, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht in Kraft treten kann. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Oliver Jünke – 1.Vorsitzender des ALS-mobil e.V. und der gesamte Vorstand – nach 48 Wochen Protest und Widerstand!

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