Versorgungsmöglichkeit bei Menschen im sog. Wachkoma

Ist für die Übernahme der Behandlungspflegekosten eine Unterscheidung nach Versorgungsform sinnvoll und gerechtfertigt?

Seit vielen Jahren setzen sich Selbsthilfeverbände für Menschen mit erworbenen Hirnschäden, wie der SHV – FORUM GEHIRN e.V., für eine gute Versorgung der Patienten im sog. Wachkoma ein. Dabei haben sie dafür gekämpft, dass für Betroffene mit diesem Krankheitsbild (sog. Wachkoma) die erforderliche Behandlungspflege (häusliche Krankenpflege) von den Krankenkassen finanziert werden muss!

Neurologische Begutachtung

Neurologische Begutachtung

Nachdem nun endlich die Kostenübernahme bei ambulanter Versorgung, durch Gerichtsentscheid vor dem Bundessozialgericht, anerkannt wurde und inzwischen auch von den Krankenkassen finanziert wird, müssen bei einer Unterbringung in einer Spezialpflegeeinrichtung der Phase F die Angehörigen einen Großteil der Behandlungspflegekosten selbst aufbringen und werden damit oft zum „Sozialfall“. Es wird zwar zwischenzeitlich auch bei stationärer Unterbringung von den Leistungsträgern (Krankenversicherung) ein Teil der Behandlungspflegekosten übernommen, aber trotzdem müssen die Betroffenen / Angehörigen noch einen nicht unerheblichen Betrag selbst aufbringen. Ist diese unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt?

Um welche sog. Wachkomapatienten handelt es sich?

In den Spezialpflegeeinrichtungen der Phase F sind vier verschiedene Personengruppen von sog. Wachkomapatienten untergebracht. Davon haben nur zwei Personengruppen (Wachkomapatienten mit erforderlicher, ständiger Interventionsbereitschaft und beatmungspflichtige Menschen) einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. Nur für diese Patientengruppe, bei denen eine ständige Interventionsbereitschaft erforderlich ist, kann eine 24 Std. Krankenüberwachung als Verordnung einer „häuslichen Krankenpflege“ nach §37 SGB V erfolgen. Nicht jeder sog. Wachkomapatient hat diesen hohen Behandlungspflegebedarf. Die Zeit für die „normale“ Krankenpflege wird von der 24-Sunden-Behandlungspflege abgezogen und die Kosten hierfür übernimmt die Pflegeversicherung und nicht die Krankenversicherung.

Welche Unterbringung ist geeignet?

Wenn ein Schwerstbetroffener in der eigenen Häuslichkeit gut versorgt und betreut werden kann, so ist das sicherlich zu bevorzugen. Aber oftmals ist eine Versorgung in der eigenen Wohnung nicht möglich. Dann gibt es u.a. die Möglichkeit der Unterbringung in sog. „Wachkoma-Wohngemeinschaften (WGs)“ oder in Spezialpflegeeinrichtungen der Phase F. Eine Unterbringung in normalen Altenpflegeheimen ist für diese Patientengruppe ungeeignet.

Bei den Patienten, die in Wohngemeinschaften leben, werden die Grundpflege und die Behandlungspflegemaßnahmen einschließlich der Krankenbeobachtung von einem externen Intensivpflegedienst vorgenommen. Hier übernimmt die Krankenversicherung auch die Kosten für eine medizinisch notwendige Krankenüberwachung.

Bei der Versorgung in einem Spezialpflegeheim der Phase F werden von der Krankenversicherung die notwendigen Behandlungspflegemaßnahmen mit einer ausgehandelten Pauschale mitfinanziert. Eine zusätzliche Bezahlung für die notwendige Krankenüberwachung, damit bei einem Notfall schnell gehandelt werden kann, lehnen die Krankenversicherungen aber ab, da ihrer Meinung nach im Heim sowieso immer Fachpersonal anwesend sein muss.

Ist diese Unterscheidung nach Versorgungsform gerechtfertigt und auch gerecht?

Meiner Auffassung nach ist diese Argumentationsweise der Leistungsträger nicht gerechtfertigt. Worin besteht denn der Unterschied bei der Unterbringung eines sog. Wachkomapatienten in einem Spezialpflegeheim bzw. in einer Wohngemeinschaft? Bei beiden Versorgungsformen hat jeder Bewohner ein Einzel- oder Doppelzimmer als „eigenes“ Zimmer für sich zur Verfügung, evtl. auch ein „eigenes“ Dusch-Badezimmer. Zusätzlich stehen Gemeinschaftsräume wie Aufenthaltsräume, große Badezimmer mit Spezialbadewanne, Therapiezimmer u.a. zur Verfügung. Für diese räumliche Unterbringung muss der Bewohner in beiden Fällen selbst aufkommen, entweder als direkte Mietzahlung bei Wohngemeinschaften oder als Unterkunfts- und Investitionskosten bei den Spezialpflegeheimen. Auch die normalen Verpflegungskosten muss der Bewohner bezahlen. Falls sein Einkommen nicht ausreicht, übernimmt der Sozialhilfeträger nach Prüfung der Einkommensverhältnisse den Restbetrag. Für die Grundpflegekosten zahlt die Pflegekasse je nach Pflegestufe den entsprechenden Anteil.

Nur bei den Behandlungspflegekosten und hier besonders bei der medizinisch notwendigen Krankenüberwachung wird eine Unterscheidung vorgenommen. Bei der „ambulanten“ Versorgung in einer Wohngemeinschaft wird der Bedarf des einzelnen Patienten festgestellt und auch von den Krankenversicherungen finanziert. Obwohl auch hier eine Fachkraft zeitweise mehrere Patienten überwachen kann und sich dadurch die erbrachten Leistungen dann durch minimierte Kostenanteile verringern lassen.

Bei der stationären Versorgung in Spezialpflegeheimen wird nur ein Teil der Behandlungspflegekosten je Bewohner übernommen. Die restlichen Kosten für die Behandlungspflege müssen von dem Pflegekostenanteil gedeckt werden, der im Heimentgelt enthalten ist. Das bedeutet, dass der Bewohner diese Kosten selbst bezahlen muss und damit zumeist langfristig zum „Sozialfall“ wird. Diese zusätzlichen Behandlungspflegekosten sind ja eben keine Grundpflegekosten, sondern sie sind krankheitsbedingt und damit eigentlich von der Krankenversicherung zu bezahlen. Die Heime bekommen nur einen Teil der gesamten Behandlungspflegekosten über die Pflegesätze finanziert. Wenn der Pflegekostenanteil des Heimentgeltes komplett von den Krankenkassen (abzüglich des Grundpflegebedarfes als Pflegekassenleistung) übernommen würde, dann wären die Angehörigen in der Regel kein „Sozialfall“ mehr. Die Einrichtungen müssen eine stabile Finanzierung auf Dauer bekommen, damit sie eine gute Pflege- und Teilhabequalität für die Betroffenen garantieren können.

Es sollten nur die Einrichtungen eine höhere Vergütung erhalten, die die Richtlinien der BAR bzw. die Empfehlungen der jeweiligen Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Phase F einhalten und damit eine qualitativ hochwertige Versorgung garantieren.

Auch bei den Wohngemeinschaften muss auf die Einhaltung einer guten Versorgungsqualität geachtet werden. Denn der Bedarf und das Wohl bzw. die Lebensqualität des Patienten stehen im Mittelpunkt. Aus diesem Grund sind die Betroffenen, Angehörigen und Betreuer gefordert, sich diesem Thema mehr als bisher zu widmen. Nur wenn sich der Patient und mit ihm auch seine Angehörigen gut versorgt fühlen, dann wurde die für diesen Betroffenen richtige Versorgungsform gewählt.

Roswitha Stille
Pflegende Angehörige
Vorstandsmitglied SHV – FORUM GEHIRN e.V.
r.stille@shv-forum-gehirn.de
www.shv-forum-gehirn.de

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