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Stellungnahme des SHV – FORUM GEHIRN e.V. zum umstrittenen IPReG

(Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung)
(Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz, GKV-IPReG)

Nach über dreiwöchiger, intensiver Ausarbeitung und nach wochenlangen Vorarbeiten und Diskussionen mit politischen Kreisen und anderen Verbänden, liegt nun die Stellungnahme des SHV – FORUM GEHIRN e.V. zum Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) zum IPReG vor.

Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen meinem Vorstandskollegen und Freund, Sebastian Lemme, für sein unglaubliches Engagement, seinen ganz persönlichen Einsatz und das Einbringen seines Sachverstandes ein ganz herzliches Dankeschön auszusprechen. Nie zuvor war es mir so bewusst, welche existenzielle und wichtige Aufgabe wir als Bundesverband in politischer Hinsicht für unsere Mitglieder, aber auch für alle Betroffenen mit Hirnverletzungen, übernommen haben.

Dabei kommen uns unsere nunmehr weit über 20 Jahre Erfahrung in der Selbsthilfe auf Bundesebene zugute. Nicht in Bezug auf die Erkrankung selbst, sondern auf die politischen Vorkommnisse rund um die zum Teil massiven Angriffe auf das (Über-)Leben der schwerst Hirngeschädigten: Apalliker als permanent vegetativer Zustand, Wachkoma als Kostenfaktor, Grenzgänger zwischen Hirntod und Tod als alleinige potentielle Organspender, etc.

Nach über 25 Jahren persönlicher Erfahrung, in den unterschiedlichsten Ebenen der Selbsthilfe, von der örtlichen Selbsthilfegruppe, über den Landesverband bis auf Bundesebene galt es immer, der Kampf zwischen uns, den Betroffenen/Angehörigen und den Kostenträgern auszufechten. Die berechtigten Ansprüche einzufordern und ggf. sogar ein zu klagen. Doch nach meiner persönlichen Auffassung liegt das Problem nicht primär an den unterschiedlichen Interpretationen eines Gesetzes in der Anwendung, sondern vielmehr an der Gesetzgebung selbst. Geschicktere Wortformulierungen, wie bei der Umwandlung des RISG in das IPReG geschehen, helfen nicht, um inhaltliche Mängel zu beseitigen. Sie verschärfen die Problematik nur, indem sie diese Mängel noch besser verstecken.

Verantwortlich für diese (vermutlich sogar bewusst eingefügten) Mängel ist zunächst das initiierende Bundesgesundheitsministerium, unter Führung von Bundesminister Spahn, aber letztendlich jeder einzelne Bundestagsabgeordnete, der wissentlich oder unwissentlich diesem Gesetz zustimmt. Kein Abgeordneter kann sich mit dem Argument einer Parteizugehörigkeit, eines Koalitionsvertrages oder sonst einer Argumentation von seiner persönlichen Verantwortung dem Souverän, seinem Wähler gegenüber rechtfertigen.

Handwerkliche und inhaltliche Fehler müssen vorab korrigiert werden und nicht erst durch die Gerichte. Da helfen auch die schön formulierten Äußerungen unseres Bundesgesundheitsministers Jens Spahn auf der Webseite des Ministeriums nichts.

Diese Äußerung, die ich vollinhaltlich unterzeichnen kann:
“Die Versorgung von Intensiv-Pflegebedürftigen soll dort stattfinden können, wo sie am besten für alle Beteiligten geleistet werden kann. Sie darf keine Frage des Geldbeutels sein. Deswegen wird es erstmals Qualitätsvorgaben für die Intensivpflege zu Hause geben, die Intensivpflege in stationären Einrichtungen wird endlich bezahlbar. Und Krankenhäuser und Heime verpflichten wir, wenn immer möglich, ihre Patienten von den Beatmungsgeräten zu entwöhnen. Niemand soll nur wegen der falschen finanziellen Anreize länger künstlich beatmet werden als unbedingt nötig. So stärken wir mit einer Reihe von Maßnahmen die Versorgung gerade der Patienten, die oftmals nicht mehr für sich selbst die Stimme erheben können.  Zitat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

täuschen über die real zu befürchtenden und katastrophalen Auswirkungen des IPReG hinweg.

Leider sind diese zitierten Worte des Ministers NICHT Bestandteil des Gesetzes und somit auch nicht einklagbar.


Stellungnahme des SHV – FORUM GEHIRN e.V. zum IPReG
Hier können Sie die detaillierte Stellungnahme unseres Verbandes lesen:

Stellungnahme als pdf downloaden


Persönlicher Appell
Noch einmal möchte ich darauf hinweisen, dass wir diese Stellungnahme nicht ohne das juristische Wissen unseres Vorstandsmitgliedes Sebastian Lemme hätten erstellen können. Deshalb ist es so wichtig, dass sich jeder von uns dort einbringt, wo sie oder er, also SIE – liebe Leserin, lieber Leser Ihr Fachwissen oder auch Ihre eigene Erfahrung haben.
Bringen auch Sie sich bitte ein, werden Sie Mitglied, machen Sie aktiv mit – nicht nur wir im Verband brauchen SIE, sondern wir als Gemeinschaft aller Hirnverletzten und nicht zuletzt auch um endlich die UN-Behindertenrechtskonvention in unserer Gesellschaft vollumfänglich um zu setzen.

Karl-Eugen Siegel
k.e.siegel@shv-forum-gehirn.de

Weitere Stellungnahmen zu IPReG

Stellungnahme des Elternselbsthilfevereins INTENSIVkinder zuhause e.V.
zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-IPReG) in der Fassung BT-DS 19/19368 v.20.05.2020, mit Stellungnahme des Bundesrats und Zurückweisung der Bundesregierung, 1. Lesung   vom 27.05.20

Stellungnahme INTENSIVkinder zuhause e.V. >


Stellungnahme der BAG SELBSTHILFE
Die BAG SELBSTHILFE fordert das Gesetzgebungsverfahren zum Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) während der Covid-19 Pandemie auszusetzen sowie den verfassungs- und völkerrechtlich umstrittenen Entwurf grundlegend zu überarbeiten

Stellungnahme der BAG SELBSTHILFE zum IPReG >

Parlamentarischer Abend zum IPREG am 15.06.2020

Am 15.06.2020 findet um 18.00 Uhr in Berlin ein parlamentarischer Abend zum geplanten IPREG-Gesetz statt.

Der SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V. hat dazu die IPREG Berichterstatter der demokratischen Parteien eingeladen. Die Gäste und Vertreter anderer Selbsthilfeverbände sollen virtuell an der Podiumsdiskussion beteiligt werden. Anfragen zur virtuellen Teilnahme können per E-Mail an die Geschäftsstelle (info@shv-forum-gehirn.de) gerichtet werden.

Warum dieses geplante Gesetz bei den Betroffenen so große Ängste auslöst und welche rechtlichen Bedenken bestehen, können Sie in der ausführlichen Stellungnahme unseres Verbandes und auch in der Stellungnahme eines anderen Selbsthilfeverbandes nachlesen.

Hier finden Sie die Dateien zum Herunterladen:

An dem Parlamentarischen Abend möchten wir zuerst in drei Kurzreferaten die leistungsrechtlichen Grundlagen, die besonderen Versorgungsbedarfe sowie die ethische Dimension der Versorgung schwerst erkrankter Menschen klären. Im Anschluss möchten wir einen Austausch zwischen den von der Neuregelung der außerklinischen Intensivpflege Betroffenen und den Berichterstattern der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien ermöglichen. Herr Michael Krons wird den Abend moderieren.